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SZ-Kommentar: “Pfofeld zeigt, wie man die richtigen Lehren zieht.”

Folgenden Kommentar in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Juni 2021 von Alexandra Föderl-Schmid empfehlen wir allen Interessierten zur Lektüre (hier der Link). Die Journalistin ordnet darin den Ausgang des Bürgerentscheids in Pfofeld gegen die Ansiedlung eines Center Parcs folgendermaßen ein:

“Den Center Parc am fränkischen Wasser wird es nun doch nicht geben, immerhin.

(…) Nach all den Monaten der Disziplin haben viele Menschen das Verlangen, loszulassen. Gerade die Tage rund um Pfingsten und Fronleichnam bieten sich scheinbar dafür an, aufzuatmen und wieder Reisen zu planen. Die Frage allerdings ist: was für welche? (…)

Der Ökonom John Maynard Keynes schrieb im Jahr 1930 seinen Essay über “Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkel”. Seine These: Habe die Menschheit erst durch die (schon damals absehbaren) enormen Produktivitätssteigerungen ihre grundlegenden ökonomischen Probleme gelöst, werde es nicht mehr darum gehen, immer noch reicher zu werden, sondern die Lebensqualität zu verbessern: Zeit und Energie würden für Bildung, Kultur, Gesundheit eingesetzt. Fürs Erreichen dieses Ziels setzte Keynes das Jahr 2030 an.

Könnte die Pandemie der Auslöser für diese Zeitenwende sein? Die damit sogar ein paar Jahre früher einträte, als von dem großen Ökonomen vorhergesagt? In den vergangenen Monaten kam es auf Krisenmanagement an; jetzt ist es an der Zeit, neue Ziele zu setzen. Ändert sich nichts, würde man zurückkehren zur bisherigen Wachstumslogik und weitermachen auf dem Weg, die Klimakrise zu verschärfen. Die Rezepte der Vergangenheit eignen sich jedoch nicht, soll die Zukunft ein Versprechen und keine Bedrohung sein. (…)

Debatten können etwas bewirken.

(…) Die Politik muss ein solches Umdenken lenken; “Fordern und Fördern”, die alte Devise aus der Agenda 2010, eignet sich auch für die Wirtschaftspolitik. (…)

Der Bundestagswahlkampf böte die Möglichkeit, in einen Wettstreit der Parteien und Kandidaten um die besten Konzepte einzutreten. (…)

Pfofeld am Brombachsee – eine Gemeinde zeigt, wie man die richtigen Lehren zieht

Im Tourismus gibt es so viele Beispiele, dass es mit einer ökonomischen Restabilisierung nicht getan ist, sondern es eine Neuorientierung braucht. (…)

In der fränkischen Gemeinde Pfofeld, am Brombachsee, hat am Wochenende eine Mehrheit gegen den Bau eines “Center Parc” gestimmt – die 350-Millionen-Euro-Investition wäre eines der größten Tourismusprojekte in Süddeutschland gewesen. Aber weil ein regelrechter Touristenansturm in der Seenregion befürchtet worden war, waren viele Bürger dagegen.

Hier zeigt sich am konkreten Beispiel, was es heißt, aus einer Krise Lehren zu ziehen.

Denn die Pandemie hat ja den Massentourismus infrage gestellt, zur Wiederentdeckung des Gehens oder der Fortbewegung mit dem Fahrrad geführt, “das Gute liegt so nah”, das alte, von Goethe abgewandelte Motto: Bayern statt Bali, Natur statt Fun im Center Parc.”

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 3. Juni 2021